Dr. Miriam Haritz, Referatsleiterin im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und zuständig für die länderübergreifende Krisenmanagementübung. (Foto: Gansen / BBK)

Seit Januar läuft das siebte Durchführungsjahr der länderübergreifenden Krisenmanagementübungen, kurz LÜKEX. Der LÜKEX-Gedanke baut dabei auf der Erkenntnis auf, dass Krisenmanagement nur dann erfolgreich und nachhaltig sein kann, wenn alle staatlichen und privaten Akteure in einem Netzwerk zusammenarbeiten und kooperieren.

Hierfür bedarf es eines fachlichen Abstimmungsprozesses zwischen Bund, Ländern, Wirtschaft, Wissenschaft und weiteren Kooperationspartnern. In den LÜKEX-Übungen spielt diese ressortübergreifende Zusammenarbeit eine große Rolle.

Dr. Miriam Haritz, Referatsleiterin im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und zuständig für die länderübergreifende Krisenmanagementübung. (Foto: Gansen / BBK)
Dr. Miriam Haritz, Referatsleiterin im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und zuständig für die länderübergreifende Krisenmanagementübung. (Foto: Gansen / BBK)

Dr. Miriam Haritz ist seit März 2014 als Referatsleiterin im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zuständig für die Ressort- und länderübergreifende Krisenmanagementübung LÜKEX. Vor kurzem feierte das Projekt von Bund und Ländern seinen zehnten Geburtstag.

Frau Dr. Haritz, seit fünf Jahren sind Sie Teil des BBK, insgesamt haben Sie drei LÜKEX-Übungen aus unterschiedlichen Perspektiven miterlebt. Was waren die Meilensteine dieses Projektes?

Ich habe die LÜKEX-Übung in meiner Zeit im Bundesamt aus unterschiedlichen Positionen begleitet, von der Organisation des Besuchsprogramms bis hin zur Leitung des verantwortlichen Referates im BBK. Im Rahmen der LÜKEX habe ich drei sehr unterschiedliche Übungsszenarien miterlebt: Eine terroristische Bedrohung durch eine schmutzige Bombe, ein Cyberattack-Szenario und die außergewöhnliche biologische Bedrohungslage bei der LÜKEX 2013.

Wir haben es geschafft, Akteure aus ganz verschiedenen Bereichen, die in ihrem Alltag ganz unterschiedliche Sprachen sprechen, zusammenzubringen. Wir tragen dazu bei, dass die verschiedenen Akteure eine gemeinsame Sprache lernen. So sind sie besser darauf vorbereitet, reale Schadenslagen gemeinsam zu bewältigen.

Was ist das besondere an den LÜKEX-Übungen?

Die LÜKEX-Übungen sind anders als andere Übungen, weil wir strategisches Krisenmanagement beüben. Wir machen eine besondere Art der Tabletop Exercise, indem wir die höchste politische Entscheidungsebene einbinden. Bei LÜKEX geht es nicht um die operative Bewältigung einer Katastrophe – bei uns werden keine echten Sandsäcke geschleppt oder geschminkte Schauspieler verarztet. Uns geht es darum, die Kommunikations- und Entscheidungsprozesse von Krisenstäben zu beüben. Beteiligt sind Behörden aus Bund und Ländern, aber auch Privatunternehmen aus dem Bereich Kritische Infrastrukturen ( KRITIS ). Wir möchten staatliche und nichtstaatliche Akteure zusammenbringen und das auf hoher strategisch-politischer Ebene.

In den zehn Jahren LÜKEX wurden viele fiktive, aber realistische Krisenszenarien durchgespielt. Es begann 2004 mit einer winterlichen Extremwetterlage mit großflächigem Stromausfall. Welche Themen fanden Sie persönlich besonders spannend?

Unsere Themen sind alle sehr spannend und am Puls der Zeit, manchmal sogar ihrer Zeit voraus. Bei unserer ersten Übung 2004 haben viele gedacht, so ein großflächiger und langanhaltender Stromausfall kann uns nicht passieren. Später ist aber genau dieser Fall im Münsterland eingetreten, ein langanhaltender Stromausfall im Zuge eines Wintersturms.

Solche Fälle gab es immer wieder, nehmen wir beispielsweise das EHEC-Virus: 2013 haben wir eine biologische Bedrohungslage beübt, in die wir im laufenden Vorbereitungsprozess auch reale Erfahrungen aus dem Umgang mit der EHEC-Krise einbringen konnten.

Befürchten Sie, dass Ihnen irgendwann die Themen ausgehen?

Nein, die Realität zeigt, dass wir immer wieder mit sogenannten Schwarzen Schwänen, also Situationen die wir für unrealistisch halten, rechnen müssen. Fukushima ist ein Beispiel für solch eine Situation. Niemand, auch nicht Japan selbst, hat mit einer Katastrophe dieses Ausmaßes gerechnet. Obwohl Japan im Katastrophenschutz sehr gut aufgestellt ist, hat die Reaktorkatastrophe das Land wirklich geschüttelt und zu vielen Veränderungen in Japan, aber auch bei uns geführt.

Wir müssen das Undenkbare denken, deswegen müssen wir das Undenkbare auch üben. Undenkbar heißt, wir müssen uns Gedanken über Szenarien machen, die uns extrem erscheinen. Wenn wir es schaffen, in den extremen Situationen gut zusammenzuarbeiten, schaffen wir es auch, mit alltäglicheren Situationen in einer Krise besser umzugehen.

Die siebte Übung der LÜKEX-Reihe, die aktuell intensiv mit allen betroffenen Akteuren vorbereitet wird, befasst sich mit der Bewältigung von großflächigen Wind- und Wasserschäden bei einer Sturmflut an der deutschen Nordseeküste. Was ist das Besondere an dieser Übung?

Mit der Sturmflutübung haben wir uns einem eher klassischen Katastrophenschutzszenario zugewandt, das wir dieses Jahr auf strategischer Ebene beüben wollen. Wir üben mit den geographisch auch in einer echten Lage betroffenen Ländern an der deutschen Nordseeküste. Diese sind natürlich sehr erfahren in der Bewältigung von Sturmflutlagen. Wir üben bei der LÜKEX 2015 eine Sturmflutlage, die länderübergreifende Betroffenheit mit sich bringt und es erforderlich macht, dass der Bund als aktiver Partner involviert wird.

Das Beispiel des Orkans Xaver Ende 2013 zeigt, dass selbst wenn die realen Szenarien nicht so schlimm wie befürchtet ausgehen, die Akteure auf der politischen Ebene dennoch massiv gefordert sind, beispielsweise in punkto abgestimmter Krisenkommunikation. Diese spielt in unseren Übungen eine sehr wichtige Rolle, gerade auch bei der Sturmflutlage der LÜKEX 15.

Konnten Erkenntnisse aus vergangenen LÜKEX-Übungen bereits in realen Krisensituationen eingesetzt werden?

Uns ist vor allem die Nachhaltigkeit unserer Übungserkenntnisse wichtig. Die Tatsache, dass wir unterschiedliche Akteure zusammenbringen, hat auch in der Realität Bestand. Netzwerke und Strukturen, die während der Übungen etabliert werden, sowie Krisenmanagementstrukturen in den Behörden, die neu aufgestellt werden, sind erkennbare, sichtbare Folgen von LÜKEX-Übungen.

Wir haben diesen schönen Satz: „In der Krise Köpfe kennen“. Wir bringen Stakeholder zusammen, damit sie sich in einer Ernstlage tatsächlich schon kennen.

Zum Schluss noch zwei Fragen zur Zukunft der LÜKEX: Wie wird sich die LÜKEX in den nächsten Jahren weiterentwickeln? Und welche Herausforderungen gilt es zu meistern?

Zum einen sehe ich die neuen möglichen Szenarien als Herausforderung. Es gilt, immer wieder ein Szenario zu finden, das auf der einen Seite realitätsnah ist, auf der anderen Seite aber so herausfordernd, dass es die Akteure tatsächlich vor neue, spannende Herausforderungen stellt.

Außerdem müssen wir darauf aufmerksam machen, dass unsere Übungen ein kontinuierlicher Prozess sind. Wir werden nie an den Punkt kommen, wo wir alles geübt haben und uns zurücklehnen können. Auch die Akteure verändern sich, das müssen wir in unseren LÜKEX-Übungen abbilden.

In unserer globalisierten Welt müssen wir außerdem zunehmend Szenarien durchdenken, die eine internationale Zusammenarbeit erfordern. Anrainerstaaten oder internationale oder supranationale Akteure, beispielsweise die EU, könnten zukünftig noch stärker als bisher eine Rolle spielen.

Vielen Dank für das Interview.

(Quelle: BBK Presseseite)

Von Redaktion

Der Betreiber von Deutsche-Prepper.de ist die Avandy GmbH, die als Kommunikationsagentur Unternehmen und Instititutionen in der Krisenprävention, dem Management von Krisen und der Reduzierung negativer Auswirkungen von Krisen berät. Das Unternehmen betreibt auch die Webseite rueckrufe.net. Gründer und Geschäftsführer Markus Burgdorf gilt als Krisen-Experte.

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